30.1.06

Initial week in British working life

Die erste Woche hab ich inzwischen hinter mich gebracht - mit Schrecken und weniger Zufriedenheit. Gleich am ersten Tag ist mir meine Arbeitsuniform verpasst worden: Beige Bundfaltenhose, hellblaues Arbeitshemd, dazu einen dunkelblauen Overall. Haette bereits zu diesem Zeitpunkt stutzig werden sollen, denn zu welcher Art von Arbeit brauche ich einen Overall? Kurz darauf fand ich mich in der Abteilung Instandhaltung (Maintenance) wieder (laut Praktikantenordnung ein Bereich, der angerechnet wird). In der Instandhaltung tut man aber nichts anderes, als den ganzen langen Tag durch die Werkshallen zu stiefeln und ausgelaufene Oelbehaelter zu flicken, Stromkabel zu verlegen, Container von A nach B verkranen, letztendlich den ganzen Scheiss, den niemand anderes machen moechte: Overallarbeit halt.

Mir kamen dann auch recht schnell die Zweifel, ob diese Abteilung so sehr zum tieferen Verstaendnis anspruchsvoller Ingenieursarbeit verhelfen wuerde, da weder meine analytische Denkfaehigkeit, geschweige denn ueberhaupt ein Bereich meines Gehirns auch nur gekitzelt wurde. Diese Bedenken fasste ich dann in anderen Worten zusammen und schilderte sie dem Personalchef, der fuer Feedback solcher Art hoechst aufgeschlossen war. Man kommt hier ziemlich schnell auf den Gedanken, dass Praktika eine deutsche Erfindung sind und Firmen in anderen Laendern gar nicht so recht wissen, was sie mit Praktikanten anfangen sollen, oder sogar anfangen KOENNEN.
Nur 2 Stunden spaeter, und ich war sehr ueberrascht ueber die augenblickliche Reaktion, bekam ich in den Maintenance-Headquarters einen Anruf vom Fertigungsleiter durchgestellt, der mir, auf Empfehlung vom Personalchef Lawrence, ein Projekt anbot. Im naechsten Augfenblick sass ich schon in seinem Buero, fachsimpelnd ueber Maschinenbauzeug. Ergebnis: Die ganze naechste Woche steh ich an einer CNC-Drehmaschine und lern CNC-Programmierung. Find ich viel interessanter als kuehl-schmierstoff-triefende Spaenefoerderer reparieren...

Ungestochen

Nach 4 Jahren, 4 Monaten und 18 Tagen habe ich am vorigen Montag, den 18. Januar 2006, 1845 CET mein Augenbrauenpiercing entfernt.

24.1.06

Low Cost Hotel

Das Hotel, in dem ich für dieses Wochenende einquartiert bin, ist wirklich interessant. Es ist das wohl höchste Gebäude in ganz Worcester und Teil einer Einkaufspassage. Es ist wirklich sauber hier, die Angestellten sind jung und ständig locken irgendwelche tollen Angebote („take this, pay that.“, „special limited offer“), die Bar hat 24h geöffnet und sonst stehen überall Getränke- und Snackautomaten. Für mein Zimmer bekomme ich keinen Schlüssel, sondern eine Scheckkarte, sämtliche Vorgänge in diesem Hotel sind durchorganisiert.
Ich glaube das Hotel passt in die Kategorie Budget Hotel, aber nach nem neuen Konzept, das sich irgendwie an Konzepten wie Germanwings orientiert, denn: Ich muss für’s Fernsehen zahlen! Nochmal: Hier steht ein Fernseher drin und der fragt mich nach meiner Kreditkartennummer! £6 pro Tag und dann kann ich mir irgendwelche Hollywoodschinken reinziehen, vor- und zurückspulen, pausieren und umschalten. Toll! Will ich aber nicht. Ich will mir hirnzermürbendes britisches Tiwi reinziehen: BBC, Little Britain, Talkshows, National Geographic,Verkaufsendungen, Cricket,... Gibt’s hier aber nicht. Nicht mal wenn ich die Nummer von meiner Kreditkarte verraten würde.

Gut dabei: Ich hab heute Seite 48 meines Praktikumsberichts vollendet...

Worcester bei Tageslicht

Nachdem ich heute vor elf aufstehen musste, weil ich sonst das Frühstück verpasst hätte, und nachdem der dichte Nebel über Worcester der Sonne weichen musste, genoss ich einen Spaziergang durch mittelalterliche englische Gassen. Wirklich beschaulich und so schön friedlich hier. Der Tousristenmagnet Worcesters stellt die imposante Kathedrale dar, die schon vor einem halben Jahrtausend von Pilgerern angesteuert wurde. Irgendeine wichtige Schlacht – wahrscheinlich die Schlacht um Worcester – hat hier mal stattgefunden und die Könige King John und King James II fanden hier mal für eine Weile Unterschlupf.
Die Kathedrale steht direkt am Ufer der Severne, dem leise vor sich hinplätschernden Fluss, der Brutstätte von Enten und Schwänen ist, die hier von euphorischen jungen. Familien und gelangweilten älteren Leuten mit trockenen Weißbrotstücken gemästet werden. Idylle pur.
Die Innenstadt besteht aus kleinen und ein bisschen größeren Gassen, die z. T. tatsächlich noch von kleinen krummen Fachwerkhäusern begrenzt werden, die wirklich aussehen, als würden sie gleich zusammenbrechen.
Im Kontrast dazu gibt es in der ziemlich kurzen Fußgängerzone gleich vier oder fünf riesige Einkaufspassagen mit wirklich namhaften Bekleidungsketten, Musicshops, Reisebüros, Supermärkte und kleinen hübschen Boutiquen. Etwa jeder zweite Laden in der Innenstadt ist ein Friseur. Man könnte hier wirklich gut shoppen – wenn man nur den nötigen Schotter hätte...

Erste Schritte auf der Insel

In der ganzen Hektik hatte ich dann noch völlig vergessen meinen Magen zu stopfen. Mit knurrendem Bauch im Flieger zu sitzen macht keinen Spaß. Sind dann aber schon nach anderthalb Stunden wieder gelandet und bereits am Gepäckband konnte ich staunen, wie zivilisiert sich Briten in großen Menschenansammlungen verhalten. Sehr rücksichtsvoll! Nachdem ich aus Indien wie ein Imperialist zurückgekommen bin, vielleicht werde ich mich ja im April zum Gentleman verwandelt haben...
Wurde in Stansted vom Mazak-Werkschauffeur David abgeholt und zweieinhalb Stunden durch die Nacht Midland’s chauffiert. In diesen zweieinhalb Stunden hat er wohl mitbekommen, dass ich hungrig war und keine britischen Pfund in den Taschen hatte. Als wir nämlich am Hotel waren, hat er mir 20 Pfund zugesteckt. Der Fahrer! Dem ich eigentlich Trinkgeld geben sollte! Wie tief muss ich noch sinken?

Mit dem – wie David behauptete – in England wenigen Geld in der Tasche, stürmte ich die nächtlichen Straßen Worcesters, auf der Suche nach etwas zu futtern. Also gegen Mitternacht in einem Land, in dem bis vor zwei Jahren selbst die Pubs schon um elf geschlossen hatten. Ich fand mich bald im einzigen Restaurant wieder, das noch offen hatte und tatsächlich als einziges Speisen unter 10 Pfund anbot. Ich konnte ja nicht die ganzen 20 Pfund verjubeln, da nach dem Samstag immer ein Sonntag folgt und an Sonntagen Banken nicht offen aber Menschen Hunger haben. Und sonntags wird auch der erbettelte Notgroschen der Eltern nicht überwiesen.

Dieses Restaurant also wurde von Vietnamesen geführt. Von Vietnamesen, die mir Speisen anboten und mich in Gespräche verwickelten, in einer Sprache, die ich aus meiner glücklichen Kindheit kannte.

Schön, wenn man einen Scheißtag hinter sich hat und sich abends zuhause fühlt.

Wer hoch fliegt, fällt tief...

...Hochmut kommt vor dem Fall..., ...vornehm geht die Welt zugrunde... und lauter solcher tollen Sprüche fallen mir gerade ein und muss leider beobachten, wie genau diese Weisheiten an mir wahr werden.
Ich kann nicht mit Geld umgehen, soviel ist klar. Dass ich das aber genau dann zu spüren bekomme, als ich alleine im Flughafen stehe, mit doppeltem Übergepäck und 20 Minuten bevor der GermanWings-Check-In Schalter schließt, sieht schwer nach dem Schicksal aus, das gerade mächtig ausholt, um mir ordentlich eine reinzudreschen. Zwar hatte der Flight-Officer wohl einen guten Tag und berechnete mir nur die Hälfte des Übergepäcks, jedoch ist wohl dieser Geldautomat mit dem linken Fuß aufgestanden und entschied sich, mir genau jetzt kein Geld zu geben. Auch meine Kreditkarte fühlte sich offenbar zu sehr strapaziert – definitiv nicht vernachlässigt – und gab sich beleidigt.
Ich kann wohl von Glück reden, dass es am Samstag der Stuttgarter Flughafen war und Steffi mich gerade erst dort abgesetzt hat – die Steffi, die ich in den letzten zwei Wochen öfters gesehen hab, als in den letzten drei Jahren, erwies sich schließlich als Geschenk des Himmels und heizte mit einem Bündel Geld in der Tasche mit einem Affenzahn über Stuttgarts Straßen, um diesen hilflosen Jungen aus dieser beklemmenden Situation zu retten. Ich hab bisher niemanden erlebt, der auf meinen Anruf hin aus dem Solarium raus in die Bank springt um mir dann Geld zum Flughafen zu fahren. Danke ;-) gelobe Besserung...

19.1.06

Party und Fotos, falls jemand nicht mehr weiß, ob er dabei war (click me)

Wie eine Kur war das, als dann wirklich die Leute auf der Matte standen, die man aus dem ersten Semester noch gekannt hat (Steffi,...), die Leute, die am Tag zuvor noch auf einem anderen Kontinent waren (Janis, Moritz,...), Leute, mit denen ich Indien erlebt hab (Sven,...), Leute, mit denen ich auf jeder Party zuverlässig abstürzen kann (Basti, Andi, Katha,...), unbekannte Leute (Leonie (oder so ;-),...) und viele, viele andere längst vermisste (Papp-)Nasen. Und alle haben sich super verstanden und hatten einen Riesenspaß; so kam es mir jedenfalls vor und so richtig erinnern kann ich mich auch nicht mehr...
Hätt’ ich mit so was gerechnet, hätte ich schon noch für etwas mehr Bier gesorgt, weil das nämlich irgendwann alle war und wir die Flamme unserer Freude nur noch mit den Restbeständen alter Spirituosen schüren konnten. Die Erinnerungen an dieeeeezzzn Am’d wu’n immme schummmmrigger...
Und bis Dienstag konnte ich nur noch Suppe essen.

Silberne Geburt

Wenn man den 25. Hochzeitstag ‚Silberne Hochzeit’ nennt, heißt dann der 25. Geburtstag ‚Silberne Geburt’. Und wieso hat mir niemand Silber geschenkt?

Ich kann’s nicht anders ausdrücken: Ich fühl mich alt! Ganz genau: Das Nesthäkchen kriegt jetzt steife Gelenke, kann sich nicht mehr bis zum Boden bücken, regt sich über kreischende Kinder auf und muss an der Kasse immer ewig nach dem Kleingeld suchen, weil es die Brille eben verlegt hat.
Das dürfte dieses Jahr das erste Mal seit einigen Jahren gewesen sein, dass ich meinen Geburtstag nicht reingefeiert hab, sondern brav im Schlafanzug und die Bettdecke bis unters Kinn gezogen in das nächste Lebensjahr geschlummert bin (d.h. eigentlich hab ich ja seit kurzem auch noch Schlafprobleme).

Das hat mich dann doch so sehr schockiert, sodass ich seit diesem Tag keinen Abend mehr alleine verbringen möchte. Am Donnerstag Abend saßen wir also in der WG zu Pizza und Bier und haben uns Bilder angeschaut. Ich genieße die Zeit in dieser WG sehr. Alle drei sind wirklich unkomplizierte und besonders liebe Menschen ohne Allüren. Ich bin heute übrigens stolzer ‚Mitbewohner des Monats’ geworden, weil ich den Balkon vom Altglas befreit hab.
Freitag Nacht bin ich mit Moritz durch die kalte Stuttgarter Nacht gezogen und am Samstag hab ich alle alten Pappenheimer eingeladen, zu gegebenen Anlässen ordentlich einen draufzumachen.

Schreibblockade

Hab grad gemerkt, dass ich schon ne ganze Weile nichts mehr geschrieben hab. Ich könnte jetzt behaupten, dass hier so viel passiert, dass ich gar nicht mehr dazu komme, meinen Rechner einzuschalten. Wäre auch nur ein bisschen gelogen. Der eigentliche Grund ist eigentlich der, dass die Ausrede, ich hätte eine Schreibblockade dann nicht mehr taugt und ich dann zwar wieder einen Post in meinem Blog hätte, dafür aber keine Ausrede mehr dafür, dass ich mein Praktikumsbericht immer noch nicht angefangen hab...

9.1.06

Urlaub in Stuttgart - Bindungsängste & Quarterlifecrisis

Was ich gerade mache? Nichts!

Bin nun seit einer Woche schon in Stuttgart und genieße das Spätaufstehen und gehe den ganzen Tag kaum vor die Tür. Muss auch mal sein. Fühle mich langsam leer genug, um neue Herausforderungen anzupacken. Das schöne an einer gewohnten Umgebung ist die Möglichkeit, einfach im Tagesgeschehen mitzuschwimmen, ohne dabei Gefahr zu laufen, irgendwo anzustoßen.
Der stetige Strom des Tagesgeschehens hat mich in dieser Woche zwar noch nicht dazu gebracht, meinen Praktikumsbericht zu schreiben, dafür fand ich mich jeden Abend in bester Gesellschaft wieder. Entweder mit Wolfi und Sandra in der WG (seit gestern auch Dorian), oder wie gestern abend auf dem ersten Verlobungsfest in meinem Bekanntenkreis.

Uli, der Utter, hat seinem besseren Drittel (wenn man die Masse betrachtet) einen Antrag gemacht. Ganz nach alter Schule hat er auch bei den Eltern der Glücklichen um Erlaubnis gebeten. Den wichtigsten Part im Prozess des Handanhaltens, nämlich die Künftige den Freunden vorzustellen, hat er in der Küche seiner Reinsburg-WG hinter sich gebracht. Adele hat er während des letzten Jahres in den USA kennengelernt, während er seinen Eltern erzählt hat, er würde dort studieren. Wir, also diejenigen, die heiraten nur von anderen kennen, haben uns überlegt, ob es wohl so ist wie wenn einer in einem vollen Aufzug anfängt zu gähnen: Ansteckend! Wenn einer damit anfängt... und wen trifft's dann als nächstes? ('Mich hat's erwischt! Lasst mich zurück und kämpft ohne mich weiter...')
Abgesehen von kurzen Anflügen von Horrorvorstellungen hab ich den Abend voll genossen. Wie sehr ich mich über die bekannten Gesichter gefreut hab. Und was musste ich lachen über die alten Sprüche! Göttlich!
Werde ich schon sentimental? Das Ende des Studentenlebens ist bereits in Sichtweite...

Und dass wir nicht jünger werden hab ich dann auch noch gemerkt, als ich noch vor Mitternacht ziemlich plötzlich ziemlich einsam mit einer frisch geköpften Flasche kühlsten Biers in der gerade noch so vollen Küche saß. Alle Gäste sind wie weggezaubert nach Hause verschwunden ('Bin ja so müde.') und die Gastgeber waren grad beim Zähneputzen ('Muss morgen in die erste Vorlesung.'). Häää?! Hab dann meinen treuen goldenen Kumpel Bier mitgenommen und wir sind gemeinsam durch die Nacht gezogen.

3.1.06

Kaltes Deutschland – The Sound of Silence

Ziemlich spät sind wir am Neujahrstag in Frankfurt angekommen, und wir waren sehr froh, dass Nami und Dani uns abholten. In diesem Moment sitze ich in Jonas Zimmer im Stuttgarter Westen, wo ich für die drei Wochen, in denen ich in Deutschland sein werde, zur Zwischenmiete wohne. Eigentlich ist es nicht wirklich kalt hier, die Luft ist sehr trocken. Was mich aber wirklich wundert, ist diese Stille, die es hier zu jeder Uhrzeit gibt. Gestern hab ich mich wirklich darauf gefreut, nachmittags durch die Königsstrasse zu schlendern und es kam mir so vor, als würde überall stetig geflüstert. Anders als in Indien hört man hier niemanden schreien, keine Autos Hupen, keine Hunde bellen. Alles sehr friedlich hier, aber wie ich feststellen musste, alles auch sehr bierernst.

Back to Mayhem

Nach zwei Tagen Hampi wurde es für uns Zeit, unsere Sachen zu packen und den Trip nach sechs Wochen zu beenden. Unser letzter Zug brachte uns in zehn Stunden zurück nach Hyderabad, zurück in den Großstadtwahnsinn. Am Bahnhof von Hospet, der zu Hampi nächstgelegene, wähnten wir uns in Gemütlichkeit beim Abendsnack (Chips und Wasser), als uns etwa zehn indische Frauen mit ihren Kindern und ein paar Männer umzingelten und anfingen uns wie eine Kuriosität zu bestaunen. Jedes der Kinder wurde von der Mutter fast gezwungen uns die Hände zu schütteln und für weitere zehn Minuten wurden wir nur begafft. Mit ein paar der Männer konnten wir uns ein bisschen auf Englisch unterhalten, die Frauen aber, die uns irgendwas auf Hindi oder Kanaada zuriefen, waren für keine Konversation in einer überregionalen Sprache offen. Irgendwann wurde ihnen bloßes Gaffen dann auch zu langweilig und die Menge löste sich auf.
Der Schlaf im Zug gestaltete sich angenehmer denn je, jetzt nachdem wir schlimmere Verkehrsmittel erleben mussten. Bin mal in der Nacht aufgewacht und hab mich gefragt, ob der Zug fährt oder steht. Ich denke jetzt kann ich überall schlafen. Auch im Stuttgarter Wagenburgtunnel um halb fünf mittags.

In Hyderabad hatten wir zweieinhalb Tage um Wertsachen aus dem Safe in der Firma zu holen, alle Kollegen zu verabschieden, schmutzige Klamotten zu waschen, zu packen und nicht zu vergessen: noch mal so richtig zu feiern. Mit dem Feiern haben wir mal angefangen. Und haben das mit einem Kater am nächsten Tag fast bereut. Nach unserer Reise erschien uns Hyderabad noch hektischer als sonst und die Preise in den Läden und den Restaurants sind uns erstmals so richtig teuer vorgekommen im Vergleich zu anderen Orten in Indien.
Am letzten Abend wurden wir von Kollegen in’s 10 Downing eingeladen, um unseren Abschied nochmals so richtig und auf Kosten der Firma zu ertränken. Man sieht nicht oft den Abteilungsleiter im Suff tanzen und seinen Vorgesetzten kichern wie ein Mädchen. Diese und viele andere Bilder während der letzten Monate werden mir bestimmt nicht mehr aus dem Kopf zu gehen.

Eigentlich muss man das gar nicht mehr extra erwähnen, aber Madhu und seine Gang waren auch im 10 D und haben uns noch gebeten, an ihren Tisch zu kommen, bevor wir gingen. Wie Justyna schon bei ihrer Ankunft erleben durfte, stand plötzlich eine Schokotorte auf dem Tisch mit der Aufschrift ‚Farewell Justyna & Khai’. Die Torte landete zielsicher in unseren Gesichtern.

Silvester haben wir eigentlich nicht gefeiert. Wir standen bei uns auf dem Dach und haben zugeschaut, wie sich unser durchgeknallter Wachmann selbst gebastelte Böller um die Ohren fliegen ließ. Ein paar ziemlich eindrucksvolle Raketen wurden in der Ferne in den Himmel geschossen und wir waren ziemlich besorgt über die Tatsache, dass in wenigen Stunden unser Flieger durch genau diesen Himmel fliegen soll.
Um eins brachte uns Daniel dann zum Flughafen. Einchecken gestaltete sich als große Diskussion, weil ich darauf bestand, meine Sitar als Handgepäck einzuchecken – bei anderen Airlines kein Problem. Bei Emirates und dem Check-In Officer in Hyderabad offensichtlich ein riesiges Problem. Also durfte ich wählen zwischen Sitar da lassen und Sitar als herkömmliches Gepäck einchecken. Hab mich für letzteres entschieden und als ob’s nicht sowieso schon von vornherein klar war, kam mein geliebtes Saiteninstrument in Einzelteilen in Frankfurt an. Verdammte Pisser!!!

Weil Justyna auf dem Hinflug in der Bordvideothek ein Drama („Million Dollar Baby“) angeschaut hat und sich dabei die Augen fast ausgeheult hat, dachte sie eine Komödie mit Cameron Diaz würde sich besser anschauen lassen. Ich weiss nicht wie das gehen soll, aber auch bei dieser flachen Komödie hat sie zwei Stunden durchgeheult. Tztztz, Frauen...

In Dubai hatten wir acht Stunden Aufenthalt und wollten natürlich raus auf eine Sight-Seeing Tour gehen. Ich bin gerade durch den Zoll und hab mir ein 60-Tage Visum in meinen Pass stempeln lassen, als kurz darauf Justyna darauf hingewiesen wurde, dass polnische Staatsbürger kein Visum bekämen, wenn sie nicht ein Hotel vorweisen können. Am Schalter von Emirates liessen sich Hotels buchen, wir sollen doch dort mal schauen. Abgesehen davon dass wir für die paar Stunden gar kein Hotel brauchten, war der Preis für das günstigste Einzel-Zimmer 209 US-$. Fanden wir ein bisschen übertrieben und wir entschieden uns in den Duty Free Bereich des Flughafens (der mit den Rolex-Bahnhofsuhren) zu gehen um dort ein bisschen zu ‚bummeln’. Weil wir fast schon draussen waren und jetzt auf dem Weg zurück waren, mussten wir noch eine Sicherheitskontrolle passieren, an der mir mein Taschenmesser abgenommen wurde, dass ich unwissentlich in meiner Hosentasche getragen hab, aber irgendwie und offensichtlich bereits durch die Kontrolle in Hyderabad geschmuggelt haben muss. Nach den Stunden in den Duty Free Shops kann ich froh sein, dass es nicht zu meinen guten Vorsätzen für’s neue Jahr gehört, das Rauchen aufzugeben. Der Vorrat dürfte nun auch für meine Enkelkinder reichen.

Holy City

Fotos gab’s ja schon mal vor ein paar Monaten, aber trotzdem haben wir noch mal einige hundert geschossen, weil die Ruinen der tausenden von Tempeln in Harmonie mit der Natur ein unglaubliches Farbenschauspiel bietet. Diesmal haben wir uns mehr auf die Natur konzentriert, als auf Sight-Seeing und sind am letzten der zwei Tage, die wir dort verbringen sollten, zu einem Wasserfall gewandert, der eigentlich mehr eine Stromschnelle war, an dem das Wasser zwischen den riesigen Felsbrocken geschossen kam. Zu dieser Zeit stand das Wasser niedriger als etwa zur Monsunzeit und man konnte über die Felsen steigen und die skurrilen Formen bestaunen, die Wasser nach Jahrhunderte langem stetigen Ausspülen hinterlässt. Eigentlich wollten wir nur kurz schauen und danach über den Fluss in ein israelisches Restaurant zum Falafel essen gehen. Das Lokal war schon in Sichtweite, Luftlinie so 300 Meter vielleicht. Wir dachten uns dann. Da können wir doch einfach über die Felsen dorthin steigen. Nach etwa zwei Stunden Horizontal-Climbing fanden wir uns vielleicht 150 Meter weiter auf einem Felshaufen wieder, der von allen Seiten von Wasser umgeben war, zu tief um durchzuwaten. Die Sonne war schon kurz vor dem Untergehen und wir hatten tierischen Hunger. Die Sonne brannte uns die ganze Zeit über auf den Schädel und die heißen Steine brannten unter unseren Fußsohlen. Wie aus dem Nichts erschien dann eine Gruppe einheimischer und besoffener Jugendliche, die uns scheinbar verfolgt hat. Im Gegensatz zu uns wussten sie über den Fluss Bescheid und konnten uns einen Weg zeigen, sicher rüber zu kommen. Wir wollten eigentlich nur noch zum Weg, den wir vorher genommen hatten, von dem wir auch leicht zurückgefunden hätten. Die Jungs boten sich hilfsbereit an, uns dorthin zu bringen. Nach wenigen Metern aber fingen sie schon an, unsere hilflose Situation und enge Pfade auszunutzen, um Justyna an allen möglichen Stellen gar nicht mal so zufällig und unauffällig zu begrabschen. Wir waren verdammt sauer, gleichzeitig aber bewusst, dass wir dort völlig im Sonstwo waren und vor Sonnenuntergang wieder in der Zivilisation sein mussten. Nur mühsam konnten wir die Suffköppe endlich abschütteln, indem wir sie auf’s Gröbste beschimpft haben, die Leute, die uns eigentlich aus einer ziemlich verzwickten Situation geholfen haben. Wir sind dann in die nächstbeste Bananenplantage verschwunden und dort noch eine ziemlich lange Zeit unhergeirrt. Nur durch Zufall haben wir einen ziemlich unscheinbaren Trampelpfad gefunden, dem wir dann gefolgt sind. Irgendwie hat dieser uns dann tatsächlich zu einem Ort geführt, den wir vorher schon gesehen hatten. Aus der ursprünglich geplanten halben Stunde Wasserfall anschauen sind dann vier Stunden Wildwasser- und Dschungellauf geworden. Ziemlich leichtsinnig war das...

Hampi hat eine sehr magische Atmosphäre, die Tempelruinen, die wie Pilze überall auf den Felsen stehen geben einem eine ungefähre Idee, wie das damalige kulturelle Zentrum Indiens vor 600 Jahren mal ausgesehen haben mag. Heute leben dort gerade noch mal 1000 Menschen und bestimmt zehnmal so viele Affen. Ganz anders als sonst wo in Indien ist es dort zu jeder Zeit andächtig still.

Feucht fröhliches Fest

Das Weihnachtsfest haben wir schön unspektakulär am Strand mit ein paar Briten verbracht. Erstmal was Essen gewesen, später an die Bar und am Lagerfeuer ein bisschen mit anderen plaudern. Haben dort ein nettes Pärchen aus Köln getroffen, Stefan und Inga, beides Studenten an der Uni. Das verbindet...
Wir hatten keine Weihnachtsgans, sondern eine leckere Steinofenpizza, Pasta, einen leckeren griechischen Salat und zum Nachtisch italienisches Eis. Wie bescheiden man wird, wenn einen das tägliche Reis und Curry bereits mürbe gemacht hat. Haben dann noch bis um halb vier getanzt und uns im Suff mit allen möglichen Leuten angefreundet. Denn besoffen klingt jede Sprache gleich und jeder ist plötzlich Bruder und Schwester. Wie einfach das Leben manchmal sein kann. Mit den Briten, die unsere Hüttennachbarn waren, haben wir die nächsten zwei Tage noch verbracht, bevor wir Goa leider schon wieder verlassen mussten. Zwei von diesen Insulanern, Rob und Bratt, waren uns besonders nahe und wir haben für sie Spitznamen gefunden, die sie ziemlich gut beschreiben. Man muss dazu sagen, dass beide den ganzen Tag nichts anderes gemacht haben, als in der Sonne zu liegen. Deshalb hieß Bratt dann ‚Brown Bread’ und Rob ‚Red Rob’, ganz nach ihrer äußeren Erscheinungsform. Die beiden arbeiten wohl oder auch nicht – bei reisenden Briten weiß man das nie so recht – jedenfalls halten sie sich während des restlichen Jahres in der Nähe von Birmingham auf, unweit von Worcester, wo ich ab Ende Januar sein werde. Wir haben ausgemacht, sie zeigen mir Birmingham bei Nacht und ich ihnen die Fußball-WM 2006. Hoffe, das sind keine Hooligans und wir werden nicht in irgendwelche Schlägereien verwickelt. Werde auch möglichst das Spiel England-Holland vermeiden.

Nachdem wir also die letzten Züge durch’s salzige Meer gezogen haben, das letzte Mal den Strand rauf und runter spaziert sind, eine letzte Runde Frisbee gezockt haben und noch mal Fisch essen waren, sind wir mit dem Sleeper-Bus nach Hampi gefahren. Jeder Traveller in Indien hat schon mal von Hampi gehört und jeder redet darüber. Es ist fast so, als sei Hampi das gelobte Land, oder eine Oase, über die es die wundersamsten Geschichten zu erzählen gibt. Wie ich aber zwei Monate vorher selbst erleben durfte, und was mich in die Position gebracht hat, mitzureden, weil ich ja selbst schon dort war, sind alle herrlichen Beschreibungen über Hampi, die sich gerüchteweise verbreiten, gar nicht mal so falsch, wenn nicht vollkommen berechtigt. Deswegen und weil Justyna diesen Ort auch noch sehen sollte, haben wir dort einen letzten Stop eingeplant.
Da ja nichts in der Welt einfach nur komplett cool sein kann, quasi zu schön um wahr zu sein, gestaltete sich die Fahrt von Goa nach Hampi als ultimative Tortur. Es gibt keine direkten Züge, sondern nur solche, bei denen man drei Mal mitten in der Nacht umsteigen muss. Die weniger üble Alternative stellte der Sleeper-Bus dar, der neun Stunden lang durch die Nacht und über Indiens Strassen heizt (keiner weiteren Erklärung würdig). Diese Busse transportiert Touristen in winzigen Schlafzellen, auf einer Seite sogar Doppelzellen, von denen wir eine für uns reservieren konnten. Ich glaube, es hätte ziemlich bequem werden können, hätten wir uns den Platz nicht mit unserem kompletten Gepäck teilen müssen, weil der Kofferraum kaum mehr als ein Handschuhfach war. Also kamen wir am nächsten Morgen pünktlich zum Sonnenaufgang (Nr. 9) mit steifen Knien und weichgeschüttelt mit voller Blase in Hampi an. Scheint mir so, als gäbe es keine Möglichkeit diesen Ort nicht völlig übermüdet zu erreichen. Ist wahrscheinlich eine Masche der Tourismusbehörde, um Hampi noch magischer erscheinen zu lassen.