19.11.06

Bild Dir unsere Meinung

Jeden Morgen, wenn ich noch total übermüdet den Berg hinunter zur Bushaltestelle gehe, muss ich mir nach spätestens 50 Metern die Augen reiben. Nicht etwa, um die letzten Reste Sand herauszureiben, mit denen mir der Sandmann die Träume zu versüßen versuchte, sondern weil ich gerade am Zeitschriftenkiosk in unserem Block vorbeikomme. Die Ideallinie, also die kürzeste Verbindung von meiner Haustür zur Bushaltestelle wird genau an dieser Stelle von der "Bild"-Schikane unterbrochen, einem Werbeaufsteller der größten europäischen Zeitung, von der mir die reißerischen Schlagzeilen nur so entgegengeschossen kommen. Genau in diesem Moment zweifle ich jeden Tag an meinen Sinneswahrnehmungen, zwicke mich nochmal, um zu prüfen ob ich wirklich wach bin, oder mich etwa noch in meinem Bett wälze, geplagt von schlechten Träumen. Dann reibe ich meine Augen, sorge für klare Sicht und muss feststellen, dass es tatsächlich ist, wie es ist: Die Bild bildet mal wieder die kollektive Meinung!

In den nächsten paar Tagen kann man dann beobachten, was Deutschland schwer beschäftigt ("Wird der Franzose sie (Sabine Christiansen, Anm. d. A.) endlich glücklich machen?"), wie Deutschland seine Furcht vor dem schwarzen Mann selbst produziert (siehe Knochenfotos aus Afghanistan) oder wie es inzwischen mit der Verdummung des Volks steht ("Nazi-Aliens klauen Hitler Hirn!").

Nun muss man den Journalisten der Bild ja schon auch zugute halten, dass sie ihren Job, nämlich die Aufmerksamkeit der Massen in einem kurzen Augenblick auf sich zu ziehen, wirklich gut machen. Im Zuge der industriellen Automatisierung scheint inzwischen jedoch auch die Stunde des Bild-Texters geschlagen zu haben. Frage: Wie viele Bild-Schreiberlinge lassen sich durch den Schlagzeil-o-mat ersetzen?
Antwort: Keine Ahnung! Aber bestimmt braucht man die gleiche Menge an Angestellten, um die Menge an Blödsinn im Text wieder zu beheben.