24.12.05

Frohes Fest - Bildschirmhintergrundtapeten gibt's nach Klick

Auch an uns geht die Weihnachtsstimmung nicht voellig vorbei. Seit gestern haengen vor unserer Huette sternfoermige Lampions und oefters am Tag sieht man hier eine Art indische Sternsingergruppe herumstreunen und Weihnachtslieder intonieren. Morgen wird hier der traditionelle Christmas-Football-Cup ausgetragen und am heutigen Heiligen Abend findet in unserer Huettensiedlung die Christmas-Party schlechthin statt. Wir bewohnen seit nunmehr einer Woche eine sehr einfache kleine Huette unter den Kokospalmen, die den Strand abgrenzen. Dann und wann werden wir aus dem Schlaf gerissen, weil mal wieder eine Kokosnuss meint, reif zu sein und sich auf unser Dach fallen zu lassen. Geht man von unserem Huetteneingang ueber die kleine Terrasse Richtung Meeresrauschen, so kann man das extrem lautlos machen, weil Sand, der so fein ist wie Mehl, kein Knirschen verursacht. Hab's naemlich nicht mitbekommen, als ich neulich meine Ayurvedic-Massage im Freien mit geschlossenen Augen genossen hab und Justyna sich an mir vorbeigeschlichen hat, um mir eine Stunde lang dabei zuzuschauen, wie ich absolut relaxed bin. Nachdem wir wochenlang von Ort zu Ort gereist sind, einen Tag hier, einen dort und dabei keine Zeit fanden die Orte richtig kennenzulernen sind wir jetzt ganz froh ein bisschen Ruhe zu finden, den Urlaub jetzt wirklich Urlaub sein zu lassen. Die Sachen, die wir erlebt haben, koennen wir hier nachtraeglich auf uns wirken lassen. Ein bisschen in der Sonne brutzeln und im Meer planschen hilft dem Erinnerungsvermoegen dabei auf die Spruenge.

Wir befinden uns zu der Zeit, waehrend ich diese Zeilen schreibe, am Strand des kleinen Oertchens Palolem im Sueden Goas, der dafuer bekannt ist, dem Massen- und Partytourismus noch nicht zum Opfer gefallen zu sein. Entlang der 1,5 km weiten Bucht, in der das frische Wasser des arabischen Meers keine allzu grossen Wellen schlaegt, reihen sich aber trotzdem Bambushuetten an die naechste und ueberall gibt es Bars und Restaurants. Die Traveller, die schon ne Weile hier sind oder schon mal da waren, erzaehlen wehmuetig, wie einsam dieser Ort vor nicht allzu langer Zeit, d.h. drei Jahren, war. Man kann sich das nur schwer vorstellen, weil der Strand, auf welchem sich bisher zum Glueck noch kein einziges Gebaeude aus Stein Platz gemacht hat, so eigentlich schon traumhaft ist. Es gibt keine Liegestuehle, keine Sonnenschirme, keine alten, fetten Inklusivtouristen, die mal Autohaendler waren, und keine schmierigen Animateure. Dafuer eine Menge junger Traveller von 20 bis 35 aus aller Welt, ein paar junge Familien mit putzigen Kindern und als kleiner Wehrmutstropfen zu viele Briten und zu viele Israelis auf einem Fleck. Briten und Israelis sind eigentlich super-nette Leute, so wie ich sie bisher erlebt hab, aber zu viel ist einfach zu viel. Wenn man sich also ein bisschen anstrengt und versucht, sich diesen Ort ganz ohne Briten, Israelis, Deutsche, Franzosen, ohne Bambushuetten und fliegende Haendler vorzustellen, also so unberuehrt, wie er anscheinend vor ein paar Jahren noch war, dann kann man sich wohl vorstellen, wie das Paradies wohl auszuschauen hat.

Am Dienstag, glaube ich, sind wir fruehmorgens auf einem Fischerboot hinausgefahren, mit der Absicht, Delphine zu sehen. Trotz den vergeblichen Versuchen in diversen Wildparks, Tiger und Elefanten zu beobachten, liessen wir uns den Mut nicht nehmen und sind mal wieder in aller Herrgottsfruehe aufgestanden. Tiere haben einen Tagesrhythmus, der meinem sowas von nicht entspricht! Tatsaechlich konnten wir, nachdem wir eine halbe Stunde ueber Wellen geritten sind, ein paar Delphinruecken aus der Ferne betrachten. Tolle Tricks, wie nah rankommen und mit dem Schwanz wackeln, auf dem Ruecken schwimmen oder durch brennende Reifen springen, sowas gibt's wohl nur in Disney-Land, haben wir hier naemlich nicht gesehen.

Am Tag drauf sind wir wieder frueh aufgestanden, haben uns einen Roller gemietet und sind entlang der Coast-Line in den Norden gefahren, 80 km nach Anjuna, wo Mittwochs ein riesiger Flohmarkt entlang des Strandes stattfindet. Fuer die 80 km haben wir auf dem Hinweg fuenf Stunden gebraucht, weil wir uns staendig in irgendwelchen kleinen Doerfern verfahren haben, oder ewig auf eine Faehre warten mussten, die uns die zwanzig Meter ueber einen Kanal bringen sollte. Wie wir aber dort waren auf diesem riesigen Markt, der eine Atmosphaere hat, wie die Maerkte auf Reggae-Festivals, total bunt und durcheinander, mit tausenden Dueften und Farben, schreiende Haendler und ein paar Europaer, die ihr Kunsthandwerk teuer verkaufen, waren die fuenf Stunden Arsch-platt-sitzen schnell vergessen. Zwei Stunden konnten wir uns auf dem Bazaar goennen und mussten die sympathische Atmosphaere schon wieder verlassen, weil wir vor Sonnenuntergang schon wieder auf dem Roller sitzen wollten. Wir haben kurzfristig entschieden, auf dem Rueckweg den Highway zu nehmen, der uns in der Haelfte der Zeit, sprich zweieinhalb Stunden nach Hause fuehren sollte. Bis zum Highway selber mussten wir aber auch noch finden, und das hat uns noch einen kleinen Zwischenfall mit der Polizei beschert.

Voellig ueberfordert vom indischen Strassenverkehr in kleineren Ortschaften, dem Linksverkehr und auf der Suche nach der richtigen Richtung wurden wir hinter einer hektischen Kreuzung in Panjim von einer Polizeistreife an den Strassenrand gebeten. Ohne meinen europaeischen Fuehrerschein und ohne Pass, stellte ich mir eine indische Zelle schon mal von innen vor. Eingesperrt unter der sengenden Hitze Goas. Aber ein Cowboy zeigt keine Furcht. Ich wurde darauf hingewiesen, die Signale des Verkehrspolizisten nicht beachtet zu haben, der den Fahrzeugen aus meiner Richtung Stop signalisiert hatte. Dass ich der einzige war, wage ich immer noch zu bezweifeln. Jedenfalls wurden mir nach der Aufforderung, meinen Fuehrerschein vorzuzeigen, der ich "leider nicht nachkommen konnte, Officer", 1050 Rupees in Rechnung gestellt. Da ich aber nur ca. 400 Rupees mit mir gefuehrt hatte, fragte ich die zwei Wachmaenner, die sich meiner Sache angenommen hatten, ob sie denn mit 20 US-$ vielleicht auch besaenftigt waeren, und, schwupps, ohne es selbst beabsichtigt zu haben, befand ich mich in einer Korruptionsaffaere. Da die zwei ploetzlich sehr netten Freunde und Helfer die Wechselkurse nicht im Kopf hatten, gab ich ihnen bereitwillig die Auskunft, dass 20 US-$ ("Yes Mr.Officer, this really is US-Dollar") ungefaehr 1000 Rupees, wenn nicht viel mehr entspraechen. Voellig gelogen... Der gruen-blaue Andrew Jackson verschwand ziemlich unauffaellig in einer Hosentasche und die laechelnden Beamten liessen uns bereitwillig weiterfahren, ohne zu verpassen, uns eine gute Fahrt zu wuenschen, den Weg noch zu erklaeren und heisse Insider-Tipps fuer weitere Polizeikontrollen mit auf den Weg zu geben.

Ansonsten bewegen wir uns hier nicht viel, ausser von einem Restaurant zum naechsten und immer wieder zu unserer Kokospalme. Mal waren wir eine Bucht weiter, wo der Strand zwar nicht ganz so unglaublich paradiesisch flache Wellen hat, die Einsamkeit aber anscheinend der Palolems vor fuenf Jahren entspricht. Unser Tagesrhythmus richtet sich nach Ebbe und Flut (Das Meer verzieht sich immer mal wieder fuer ein paar Stunden fuer einige zig Meter nach hinten), nach Sonnenauf- und -untergang und nach Lust und Laune. In den letzten Tagen konnte ich meine Technik im Frisbee noch ein bisschen ausfeilen und abends habe ich das orientalische Spiel Carrom gelernt.

Wir wuenschen Euch allen eine schoene Weihnachtszeit und dabei viel Zeit und Muse, das vergangene Jahr mit allen ihren Vorkommnissen zu reflektieren, ueber laengst vergessenes noch einmal zu lachen und laengst verdraengtes noch einmal aufzuarbeiten.

Als kleines Weihnachtsgeschenk hab ich ein paar weitere Bildschirmhintergrundtapeten hochgeladen, die im Tigerreservat in Kumily beginnen und in hier in Goa aufhoeren. Sonnenaufgang Nr. 7 und Panorama-Landschaftsaufnahmen inklusive.

15.12.05

Letzte Station vor Goa

Nach drei Tagen Freude AN der Natur ;-) sind wir mit dem Bus ein bisschen in's Landesinnere gefahren. Aus dem wundervollen Staat Kerala raus (dort waechst uebrigens der Pfeffer - und ich kann jedem nur empfehlen dorthin zu gehen:-), in den Nachbarstaat Karnataka, der an Schoenheit auch einiges zu bieten hat. Bevor wir die aber geniessen durften, wurden wir in einem engen und lauten Ueberlandbus der Kategorie No-Deluxe bergauf und bergab ueber schlingernde Gebirgspaesse geschleudert, weil unser Ziel Mysore genauso wie Kumily auf den Hoehen der Western Ghats liegt. Zehn Stunden durch Palmen- und Bambuswaelder, Schulter an Schulter (oder eher Niere an Niere) und schwitzend mit der einheimischen Bevoelkerung. Voellig fertig und weichgeklopft kamenm wir gerade so zum Sonnenuntergang in Mysore an. Muss mich jetzt selbst auch der Unfreundlichkeit beschuldigen, weil ein Auto-Rikschawfahrer uns am Busbahnhof abgefangen hat und bis zum Hotel verfolgt hat, die ganzen zweihundert Meter, die wir zu Fuss gegangen sind und fuer die wir, wie ich ihm bereits beim Bus zu erklaeren versuchte, wirklich keine Rikschaw gebraucht haetten. Er hat sein Fahrzeug zurueckgelassen und uns auch zu Fuss verfolgt, mit irgendeiner Broschuere winkend und irgendetwas rufend, fuer das ich zu dieser Zeit kein Ohr fand. Kurz vor dem Hotel hab ich ihn - nicht besonders hoeflich - gefragt, wo denn sein Scheissproblem sei und ihm dann auf Hindi in's Gesicht gerufen, dass er sich verpissen soll. Hat er dann auch gemacht und ich hab mich nicht besser gefuehlt. Dafuer hab ich mir jetzt vorgenommen, ein bisschen geduldiger zu sein, und wenigstens nachzufragen, was er eigentlich will, bevor ich jemanden zum Teufel schicke.

In Karnataka leuchten die Farben. Auf der Fahrt ueber's Land fanden wir Haeuser in den buntesten Farben gestrichen und die Menschen, die auf den Feldern arbeiten, tragen Kleider in leuchtenden Toenen. Sogar die Natur scheint hier noch mal kraeftiger zu leuchten. Man stelle sich also ein total gruenes Reisfeld vor, umrandet von roter Erde und arbeitende Menschen darin, die nur als rote, blaue, orangene und gelbe Flecken zu erkennen sind. Die Haeuser drumherum sind ebenso bunt gestrichen und auch die grossen Trucks sind sorgfaeltig mit den buntesten Farben bemalt worden. Abends waehrend die Sonne ueber der roten Erde untergeht, wird die ganze Szene in tiefes rot getaucht und man fuehlt sich wirklich wie auf dem Mars.

Haben uns am naechsten Tag, so freundlich wie wir jetzt sind, von einem Fahrer ansprechen lassen, der uns angeboten hat, alle Sehenswuerdigkeiten mit uns abzuklappern und das fuer einen unverschaemt guten Preis. Der Mensch hatte ein vertrauenswuerdiges Gesicht und ein colles Auto, naemlich einen voellig versifften roten japanischen Sportwagen aus den Sechzigern. Nachdem wir eingestiegen sind, wurden wir mit Beatles und Pink Floyd beschallt, was sollte also noch schiefgehen. Vic, so hiess unser Fahrer, und als ich ihn nach seinem Namen gefragt hab, sagte er "Vic, Sir!" und damit ich nicht laut los lachen musste, hab ich nochmal gefragt, und er: "Vic, Sir!". Haette er gleich gesagt "Sir, my name is Vic.", waere mir die Aehnlichkeit zu deutschen Schimpfwoertern gar nicht aufgefallen. Tatsaechlich hatten wir mit Vic einen Super-Tag. Wir haben nicht nur die wichtigsten Sight-Seeing Spots mit ihm besucht, sondern sind noch Chai trinken und in einem Strassenrestaurant was essen gegangen und uns mit ihm koestlich amuesiert. Eigentlich hatte Mysore als Stadt, die beruehmt ist fuer Sandelholzprodukte aller Art und feinste Seide, nicht so viel zu bieten, aber der schoene Tag war's wert.

Am naechsten Tag sind wir aber dann wieder los, diesmal mit einem Super-Deluxe-Bus. War tatsaechlich angenehmer, weil nicht so eng. Ziel war Mangalore an der Westkueste am arabischen Meer. Also von den Western-Ghats wieder runter auf Meeresniveau geschaukelt worden. Jetzt sind wir also hier, in Mangalore, am Meer. Die Stadt voellig charakterfrei. Stinkt ueberall nach Hafen und Fisch an der Sonne. Waren heute schon weit ausserhalb an einem traumhaften Strand mit haushohen Wellen. Baden kannste aber vergessen, weil indischen Kerlen das Maul ja schon sabbert, wenn eine blonde Frau noch angezogen ist. Am Strand war auch wirklich nichts los, ausser ein paar kichernden jugendlichen Einheimischen, die uns verfolgt haben.

Justyna geht's heute eh nicht besonders gut und sie musste heute Nacht kotzen und hatte Durchfall. Gestern waren wir Pizza essen und wahrscheinlich vertraegt sie europaeisches Essen nicht mehr. Haha! Hoffen aber, dass es bis morgen besser wird, weil wir morgen naemlich weiterziehen werden. Und dann geht's nach GOA!!!

11.12.05

zu Grass fuer mich

Hab gestern die Blechtrommel zu Ende gelesen. Hab sehr viel Freude daran gefunden. Vor allem der grossartige Zynismus. Aber kann mir jemand das Ende erklaeren?

spaete Einsicht

Lieber zu spaet als nie und besser so rum als andersherum, moechte ich hiermit gestanden haben, dass wir uns geirrt haben. Wir haben den Menschen in Kerala Unrecht getan. Denn nach einer Woche an diesem paradiesischen Ort moechten wir dieses Stueckchen Himmel eigentlich nichr mehr verlassen. So misstrauisch wir anfangs noch waren, so untroestlich sind wir jetzt, dass wir morgen weiter in den Norden fahren werden. Nachdem wir das Hausboot in Allapuzzha leider verlassen mussten, dafuer aber noch einen Tag in einem Bungalow mit Pool verbringen durften, sind wir mit einem Kutter durch die Backwaters noch bis nach Kottayam gefahren, haben dort einen Bus bestiegen und sind durch den immergruenen Dschungel bis nach Kumily gefahren. Der ganze Ort existiert eigentlich nur fuer den Wildlife Park, der nach Angaben der Ortsansaessigen Elefanten, Leoparden, Geparden, Affen, Tiger und alles moegliche Getier enthalten, welches man so aus dem Zoo her kennt.

Wir haben uns dort in eine kleine beschauliche Bambushuette eingemietet und am ersten Tag nicht nur Sonnenaufgang Nr. 5 angeschaut, sondern noch an einer Jeep Safari teilgenomme, die uns, auch zu Fuss beim Trekking, den Tieren ziemlich nah heranfuehren sollte. Um fuenf Uhr morgens ging's los und um sieben abends sind wir zurueck gekommen. In diesen 14 Stunden haben wir aber ausser ein paar Affen, ein paar Squirrels (keine Ahnung wie die auf deutsch heissen), domestizierten Kuehen und abertausenden von Blutegeln keine Tiere gesehen. Keine Tiger, keine Elefanten, keine Bisons. Dafuer haben wir nach der anstrengenden Trekkingtour - 5 Stunden Fussmarsch durch die Wildnis - ein erfrischendes Bad im Gebirgssee nehmen koennen. Ein bisschen zwischen Kaulquappen und kleineren Fischen planschen. Zwei Britinnen, zwei Holaenderinnen, eine Polin und ich. Und alle in Unterwaesche. Jippieh!!! Keine Tiere gesehen, dafuer einen Riesenspass in der Natur gehabt.

Fuer den zweiten Tag haben wir uns bei einer Bambus-Floss-Rafting-Tour angemeldet. Zehn Touris und fuenf Guides, einer davon bewaffnet. Auf den Fotos haben nur Guides gepaddelt. In Wirklichkeit mussten alle paddeln, d.h. alle Maenner, weil fuer die Frauen nicht genug Paddel da waren. Mit dem bewaffneten Guide, der ein langes Jagdgewehr umhaengen hatte, sah das mehr nach einer Geiselnahme aus, v.a. als wir eine mehrstuendige Trekkingtour durch das immergruene Gehoelz gemacht haben. Ein Guide voraus, einer hinterher und in der Mitte der bewaffnete. "Schnauze, ihr kriegt nichts zu essen. Unser Anfuehrer will Euch sehen!" Aber immerhin haben unsere Geiselnehmer uns mehr Tiere zeigen koennen, als die vom Tag davor. Eine Bisonkuh mit Kalb, ein paar Affen aus der Naehe, Wildschweine, Voegel und einen Elefanten. Boah! Aber ich glaub ja, dass der vorher angelockt wurde. Wie auch immer, die paar Tage, die wir in der stillen Natur bei der frischen Luft, im unberuehrten wilden Dschungel verbringen konnten war einzigartig. Dabei mochte ich gar nicht wissen, wieviele wilde und hungrige Augenpaare die wohlgenaehrte Touristengruppe aus den Bueschen beobachtet haben, waehrend wir nix gesehen haben.

Nach drei Tagen sind wir gestern abend mit dem Bus den Gebirgspass hinuntergeschossen und befinden uns jetzt wieder am arabischen Meer in Kochin. Wir waren wieder mal am Fischmarkt und haben uns heute wieder ein Kilo Prawns und jeder ein Stueck Seer-Fisch (deutsch?) gegoennt. Nachher gehen wir nochmal hin und essen Krebs. Hmjam! Kulinarisch gibt's wohl in ganz Indien nichts besseres als keralesisch. Zwar muss man hier immer 'less spicy' bestellen, wenn man keine Lust auf Feuerspucken hat, aber wenn die Schaerfe weg ist, kommt eine Vielfalt an Aromen hervor, die Kerala nicht umsonst den Titel 'Spice-Land' verleiht. Vor allem dieser unparfuemierte Reis mit Kokosnuss oder mit trockenen Fruechten oder mit Ananas und Cashew. Die vegetarischen Sossen dazu - in Indien 'gravy' genannt - uebertreffen jedes vegetarische Gericht in Europa. Ratatouille ist da nur noch Pampe dagegen.

Moechte man Indien mathematisch betrachten - und die Inder haben der Mathematik immerhin die Null geschenkt - dann kann man dem Land ein kartesisches Koordinatensystem verpassen. Der Ursprung liegt dann irgendwo bei Hyderabad. Was ueber der x-Achse, also im Norden liegt gilt, so heisst es, als arm. Unter der x-Achse, im Sueden, sind die Menschen eher reich. Im Westen, links von der y-Achse, sind die Menschen faul, rechts von der y-Achse tuechtig. Im ersten Quadranten, also im Nord-Osten, wo Kolkata liegt, sind die Menschen zwar fleissig, entkommen aber ihrer Armut nicht. Im zweiten Quadranten, im Nord-Westen, sind die Menschen faul und deshalb arm - das unfreundliche Jaipur in Rajasthan. Hier in Kerala sind die Menschen faul und trotzdem reich. Deshalb sehr gemuetlich und gelassen. Hier gefaellt's mir, hier will ich bleiben. Eine kleine Kostprobe von der Landessprache Keralas, dem Malayalam: 'Uli' heisst ohne Salz. Man merkt sich eben nur die Kuriositaeten.

Haben in den letzten Tagen sehr sehr viele Traveller aus allen Herren-Laendern getroffen und Erfahrungen ausgetauscht. Auch die Reisenden scheinen im Sueden angenehmer, nicht so angespannt zu sein. Was uebrigens sehr lustig ist: Wer mit dem Lonely Planet reist trifft ueberall die gleichen Leute wieder. Von wegen Individualtourismus...

Morgen stehen wir wieder verdammt frueh auf, werden Sonnenaufgang Nr. 6 sehen (hab's langsam echt satt) und um sechs Uhr morgens den Bus nach Mysore nehmen. Eine Seiden- und Tempelstadt im Sueden Karnatakas. Mal schauen, was Karnataka fuer uns birgt.

6.12.05

Nix zum Nikolaus (ausser Bilder - click)

Wollte ich mich doch schon fast als Schwabe outen. Als gebuertiger Ulmer, der erst meckert, bevor er etwas toll finden kann. Misstrauisch, wie wir noch waren, von den enttaeuschenden Erlebnissen im Norden, dachten wir, wir wuerden hier nichts anderes erleben. Wir sollten uns dabei geirrt haben. Zwar waren wir am ersten Tag ein bisschen aufgekratzt, weil wir nach der langen Reise von Delhi nach Kochin nur noch was essen wollten, dafuer aber anderthalb Stunden nach einem Lokal suchen mussten, dass um neun Uhr abends noch was anbietet, und uns das gleiche dann am naechsten Morgen mit dem Fruehstueck passiert ist: Anderthalb Stunden rumgetigert, bis irgendwas essbares aufzutreiben war. Unsere anfangs angeschlagene Stimmung liess aber nicht lange mit sich bitten und verwandelte sich schon nach kurzer Zeit in Heiterkeit, als wir im schoeneren und gemuetlicheren Teil Kochins, Fort Cochin, rumgelungert sind. Kein Verkehr, keine Hektik, kein Gehupe und viel Sonne. Meine Aussage von neulich, dass in Cochin nichts ginge, moechte ich selbst kommentieren: Was soll denn schon gehen im Paradies? Hab ich etwa Party ohne Ende erwartet? Die Menschen zeigten in Kerala bisher nur ihre freundliche Seite und bis jetzt hat uns noch niemand ueber's Ohr gehauen, oder wir haben's halt nicht gemerkt.
Spaetestens als wir am Ufer zu den Backwaters fuenf Schritte hinter den Fischernetzen den Fischern ihren Fang abgekauft haben und weitere fuenf Schritte landeinwaerts eine Kueche aufgesucht haben, die uns unser eben erstandenes Kilo Tiger-Prawns und die drei Suesswasserfische zubereitet hat und wir diese Delikatessen direkt unterm Mond verspeist haben, war die Welt wieder in Ordnung.

Am naechsten Tag hatten wir's dann ziemlich eilig, fuenfzig Kilometer weiter nach Sueden zu kommen, nach Allappuzha, wo ein Hausboot bereits auf uns wartete und uns fuer die naechsten 24 Stunden eine exklusive Herberge sein sollte. Kerala ist durchzogen von den Backwaters, ein labyrintartiges Gewaesser, dass wie ein mehrarmiger Fluss das ganze Hinterland durchzieht. Haeuser sind nah am Wasser gebaut und das Alltagsleben scheint sich auf dem Wasser abzuspielen. Schulkinder werden morgens vom Schulboot abgeholt und in die Schule gefahren, die direkt am Wasser gebaut ist. Oefters sind riesige Entenschwaerme zu sehen, die von ihren Entenhirten durch den Kanal gescheucht werden. Morgens nachdem die Sonne aufgegangen ist, versammelt sich die Familie am Wasser vor dem Haus und vollzieht ausgiebig die morgendliche Hygiene. Am Ufer beugen sich Bananenpalmen neben Kokospalmen ueber's Wasser und ganz langsam und gemaechlich tuckert ein Bambusboot, so gross wie eine Zweizimmerwohnung, ueber das spiegelglatte Wasser und zwei voellig verchillte Traveller beobachten und geniessen die friedlichen Szenen. Auf dem Weg haben wir noch bei einem Fischer Halt gemacht, bei dem wir frischen Hummer und Prawns kaufen konnten, die es dann zum Dinner gab. Nach dem opulenten Abendmahl, das uns unsere dreikoepfige Crew zubereitet hat, sassen wir noch bei kuehlem Bier auf dem Oberdeck und lauschten den Gesaengen der Froesche und dem Zirpen der Grillen in den Reisfeldern. Haetten wegen mir noch ewig so weiter tuckern koennen.

Sind jetzt wieder auf festem Boden in einer Huette in einem Ressort in Allapuzha. Weil hier aber wirklich nichts geht, hab ich endlich die Gelegenheit gefunden, ein paar Bilder hochzuladen. So ein paar von jeder Station, die wir bisher gemacht haben. Morgen geht's an die Grenze zwischen Kerala und Tamil Nadu in das Periyar Wildlife Sanctuary, wo wir drei Tage Elefanten reiten, mit Tiger kaempfen, mit Affen entlausen und Voegel ...aeh... singen werden.

Die Adventszeit hat ja inzwischen angefangen, heute ist Nikolaustag und ich hatte meine Sandalen vor die Tuer gestellt und war dann ganz enttaeuscht, als heute morgen nichts drin war. Bin wohl ein unartiger Bursche gewesen :-( Wuensche Euch trotzdem eine besinnliche Adventszeit, viel heissen Gluehwein und keine kalte Ohren. Denkt an Eure Mitmenschen auf der anderen Seite der Welt, denn wir denken auch an Euch.

4.12.05

Wer sich langsam bewegt, kommt nicht in's Schwitzen

Ein ermuedender Flug mit Air Deccan sollte uns ueber Bangalore nach Kochin bringen. Air Deccan - eine Fluggesellschaft fuer Liliputaner, wie meine schmerzenden Knie noch jetzt zu bezeugen wissen. In Bangalore fanden wir beim Umsteigen noch Zeit, uns mit Sachin, Madhu und Juergen zu treffen, die ueber's Wochenende mit dem Auto nach Bangalore gefahren sind, um The Rasmus live zu sehen. Wie es nun mal so ist, konnte man den Zeitangaben eines Inders nicht so recht trauen, und wir mussten anstatt fuenf Minuten geschlagene zwei Stunden am Flughafen in Bangalore auf die voellig uebermuedeten Jungs warten, wenn man auch direkt nach einer 10 Downing Session eine zehnstuendige Autofahrt antritt, als wuerde man nur mal kurz einen Kumpel nach Hause bringen...
Fanden vor unserem Weiterflug also gerade noch Zeit, in einem Restaurant Pommes reinzustopfen und in einer Apotheke noch Drogen zu kaufen, die meinem immer noch vom rauhen Darjeeling gezeichneten Rachen den letzten Rest zu geben. (Vom Rauchen ist es naemlich irgendwie nicht besser geworden!?) Der Geheimtipp Heisse Zitrone mit Brandy war's dann wohl, der mich jetzt in diesem Moment, in dem ich diesen Satz schreibe, NICHT husten laesst.
Der Flug von Bangalore nach Kochin war erst puenktlich, hatte dann erst eine halbe Stunde, dann eine Stunde, zuletzt zwei Stunden Verspaetung, die uns aber die Moeglichkeit gab, auf dem Boden der Wartehalle, denn der ist eh schon schmutzig, ein bisschen Schlaf nachzuholen. Wenn man an einem Tag, sowohl den Sonnenaufgang, als auch den Sonnenuntergang aus dem Flugzeug sehen kann, weiss man, dass man schon ziemlich lange unterwegs ist. Dieses Propellerflugzeug aber gab uns ein mulmiges Gefuehl, weil wir direkt neben den Propellern sassen und die sehen von der Seite aus wie maechtige Saegeblaetter.
Kochin ist ein kleines verschlafenes Nest inmitten von Palmenwaeldern, spielt ein bisschen im Business mit, ist aber doch nur ein groesseres Fischerdorf und hat bestimmt trotzdem seine dreihunderttausend Einwohner - ich weiss es nicht... Unser Hotel haben wir, wie das erste in Jaipur, schon vorher gebucht. Haetten wir nicht tun sollen, denn jetzt schlafen wir in einem Businesshotel, das so richtig Charakter vermissen laesst und direkt an der Mahatma Gandhi Road liegt, in jeder indischen Stadt die Hauptstrasse. Kochin scheint tot. Hier gibt es nichts, was man tun kann. Gestern mussten wir anderthalb Stunden nach einem Restaurant suchen und haben eines gefunden. Wahrscheinlich das einzige, denn nach uns kamen noch ein paar Traveller, die uns fragten, ob hier irgendwo was geht. Dass wir uns im gleichen Lokal getroffen haben, kann deshalb kein Zufall sein.

Heute haben wir wieder anderthalb Stunden gebraucht, um irgendwo ein Fruehstueck aufzutreiben. Nach dem opulenten Morgenmahl, das wir uns in einer Coffee-Bar am Hafen gegoennt haben, sind wir mit dem Boot auf die andere Insel gefahren, die nach dem Lonely Planet die schoenere Seite Kochins zeigen soll: Fort Cochin. Es ist recht gemuetlich hier und wir werden jetzt an den Strand gehen und dem Sonnenuntergang zuschauen, wie er sich in den Fischernetzen verfaengt. Danach den Fischern ihren Fang ankaufen und irgendwo zubereiten lassen. Herrgott, eine verschlafene Stadt macht so traege...

Kleine Weisheiten #6

Warum gehen, wenn man doch tanzen kann?

(Franzoesischer Klischee-Sehr-Alt-Hippie in Varanasi, Zeige- und Mittelfinger beider Haende in der Peace-Pose)

Frieden mit dem Norden

Schon die Zugfahrt nach Delhi liess uns staunen. Wir hatten wegen der kurzen Fahrt nur Sitzplaetze gebucht. Das Innere des Waggons glich mehr einem Flugzeug, als einem Zug. Einzelne gepolsterte Sitze mit der Moeglichkeit die Rueckenlehnen zu verstellen. Klassische Musik aus Lautsprechern und saubere Toiletten mit Klopapier (!). Waehrend der recht kurzen Fahrt von 4,5 Stunden wurde ein fuenfgaengiges Menue gereicht: Appetizer, Suppe, Hauptgericht, Tee, Eiscreme. Da mein Magen das oelige Essen im Norden und die abstossenden Menschen in Jaipur noch nicht so recht verkraften konnten, beschraenkte ich mich nur auf die warme Suppe, den beruhigenden Tee und den gaumenkitzelnden Nachtisch.
Sind dann ziemlich spaet in Delhi angekommen und mussten ca. eine halbe Stunde mit der Rikshaw-Mafia am Bahnhof verhandeln, bis sich Kooperation erhoffen liess und uns ein vollgetanktes Fluchtfahrzeug zu einem vertretbaren Preis zur Verfuegung gestellt wurde. Eigentlich sollten wir wieder in einem Guesthouse uebernachten, dass ein Freund von Madhu fuer uns gemanagt hat - ein Geheimtipp! Aus der Erfahrung aus Kolkata lernend, haben wir die Adresse tags zuvor im Internet ausfindig gemacht. Danach gleich dort angerufen und abgesagt. Dieses Guesthouse lag zwar in einer Top-Gegend, aber anderthalb Stunden von sowohl Bahnhof, als auch Flughafen weg. Also sowas von weg vom Geschehen. Die Rikshaw brachte uns - nach einigem Bitten ganz ohne Umwege - zum Main Bazaar, fuenf Minuten von Bahnhof entfernt (zu Fuss). Der Main Bazaar, muss man wissen, war vor ca. fuenf Wochen das Ziel dieses Bombenattentats in Delhi. Spuren waren aber keine mehr zu sehen.
Das Zimmer im vierten Stock dieser Absteige, die sich Hotel schimpft, verfuegte ueber eine dunkle Nasszelle, die ich, um ein bisschen Prestige zu heucheln, mal Badezimmer nenne. Das Zimmer wurde wohl direkt um das Bett herum gebaut, aber immerhin fand in einer Ecke noch ein Farbfernseher Platz. Ich weiss nicht, ob ich das jetzt Glueck im Unglueck nennen soll, aber der Hotelmanager verweigerte uns spaeter die Aufnahme in seiner Residenz, weil wir, so schlau wie wir nun mal sind, ohne Originalpaesse reisen, sondern nur Kopien der wichtigsten Seitem mit uns fuehren. Man muss bedenken, dass es bereits 12 Uhr nachts war und die Strassen kalt, schmutzig und ueberall lauerten dunkle und currygelbe gestalten herum. Aber dieser Mensch vetrieb uns, weil es nach dem Anschlag ja so schwierig geworden sei mit der Polizei, und setzte uns auf die Strasse.
Da standen wir nun. Two strangers in Delhi, mit mehr Hab und Gut in unseren Rucksaecken, als so manche indische Familie, 12 Uhr nachts, leere Maegen, keine Paesse. Wat nu? Das Hotelparadies am Main-Bazaar fuehrte uns zum Nachbarn des pflichtbewussten Hotelmanagers. Dort wurden wir mit offenen Armen empfangen, zahlten weniger und fanden sogar ein Zimmer (eine Zelle) sogar im dritten Stockwerk. Ein bisschen grosszuegiger geschnitten, das Bad liess noch ein wenig weiss an den Fliesen erahnen und warmes Wasser gab es auch. Im Schlafgemach war nur eine Wand vom Schimmel befallen und naja, immerhin ein Dach ueber dem Kopf.

Der naechste Tag fuehrte uns zu den wichtigsten Sehenswuerdigkeiten, die sich meistens um den ehrhaften Mahatma Gandhi drehen, ansonsten wollten wir eigentlich nicht viel unternehmen. Delhi hat uns dabei aber sehr positiv ueberrascht! Mit der Erwartung, dass so eine Grossstadt nur Chaos ist und die Leute alle Gauner, wurden wir schon direkt am Bazaar eines besseren belehrt. Keiner bot uns Sachen an, die wir nicht wollten, niemand zerrte uns am Aermel in seinen Shop, ueberhaupt ging alles sehr friedlich und unaufdringlich zu. Handeln mit den Shopbesitzern war sehr unterhaltsam und auch die Fahrrad-Rikshawfahrer waren sehr ehrlich und freundlich. Delhi war ueberraschend erholsam und sollte uns mit einem Laecheln in den Sueden bringen.

1.12.05

Ab in die Wueste

Rajasthan, der Wuestenstaat, Jaipur, die "Pink City". Traegt diesen Namen aber aus einem anderen Grund als die andere Pink-City Koeln. Der Maharaja Soundso hat anlaesslich eines Besuchs des frueheren Prince of Wales und spaeteren King Edward die ganze Stadt rosa streichen lassen, hier die Farbe der Gastfreundlichkeit. Jaipur ist eigentlich eine schoene Stadt, schoene bunte Farben im Kontrast zum Sand der Wueste. Die Strassen sind nicht so schmutzig und die Luft erstaunlich rein.

Habe das Gefuehl, dass jede Stadt, die wir uns anschauen, schlimmer wird mit all den Rikschah-Wallahs, dem glotzenden und sabbernden Poebel, den obszoenen Beschimpfungen und den aufdringlichen Shopbesitzern. Man kann hier keinen Schritt aus dem Hostel machen, ohne von Rikschahs verfolgt zu werden, die einen nicht etwa nur fuer "very cheap" nach "where you go" fahren, sondern einem einen "lucky day" prophezeihen, denn sie kennen einen Shop mit Superdeals mit Edelsteinen und Schmuck. Einzige Moeglichkeit: Ignorieren. Dann bekommt man nur saemtliche Beschimpfungen hinterhergeworfen, die ein Rikschahfahrer auf Englisch kennt. Shopbesitzer auf Bazaaren sind hier wirklich aggressiv und zerren uns an unseren Armen in ihre Shops rein. Wenn man nichts kaufen will: "Just looking", "No problem", "Special Deal". Junge Menschen auf den Strassen kennen dann Woerter wie "Sex", "Bitch", "Asshole",... Traurig dabei ist, dass die wirklich mittellosen Menschen hier ihre Familie mit Betruegereien ernaehren muessen und eigentlich darauf angewiesen sind, Touris zu verarschen. Ihren Neid wollen sie dann auch gar nicht erst verbergen.
Ich bin schon oft sehr armen Menschen begegnet, aber so respektlos, sogar animalisch wie hier hab ich Menschen noch nie erlebt.

Ich fange an diesen Ort zu hassen. Und ich hoffe, dass sich das nur auf Nord-Indien beschraenken laesst. Bin ueberhaupt nicht in der Stimmung, darueber zu lachen, wenn uns am Bahnhof dreissig Rikschahfahrer belagern, die sich gegenseitig unterbieten. Habe seit ein paar Tagen nur noch Bauchschmerzen und seit gestern Durchfall, weil es wirklich stressig ist, sich staendig gegen Menschen zu wehren, die aus Hunger aggressiv sind und in Dir eine Moeglichkeit sehen, schnell an Geld zu kommen. Mir wird das hier gerade zu viel und gerne wuerde ich mich einfach nur verkriechen und den ganzen Hass draussen lassen.

Noch zwei Tage, dann sind wir in Kerala, im Sueden, wo die Menschen anscheinend freundlicher sind.

World Famous Erection

So schlau wie wir sind, wollten wir ein bisschen Zeit sparen und nicht ueber Delhi, sondern direkt nach Agra fahren, gleich dort aussteigen. So bloed wie wir sind, haben wir natuerlich zu spaet erfahren, dass ausgerechnet dieser Zug nicht in Agra haelt. Also sind wir doch ueber Delhi gefahren und haben dort fuer den naechsten Zug nach Agra gleich Tickets geholt. Sind diesmal Sleeper-Class gefahren, d.h. mehrfach besetzte Pritschen und offene Fenster mit Gittern davor. Haette auch drauf verzichten koennen, denn auf der Strecke sind wir in Schrittempo an einer halbverwesten Leiche vorbei gekrochen, die einfach so in einer Huettensiedlung zwischen den Gleisen lag und ihre modrigen, mit Fleisch- und Hautfetzen behangenen Knochen den Fliegen anbot.

Agra ist die Stadt, die ihre Existenz dem unerklaerlichen Phaenomen verdankt, dass Maenner ihren Frauen beizeiten suendhaft teure und total unnoetige Geschenke machen. Ueber das Taj Mahal wird hier erzaehlt, es sei "the biggest erection, a man ever made for a woman - and it still lasts". Dieses wirklich riesige Bauwerk aus weissem Marmor hat wirklich schoene mehrfarbige Ornament-Einlagen und ist wirklich sehr filigran und kunstvoll ausgearbeitet. Dass es aber so sehr bewundert wird, entzieht sich meinem Verstaendnis.
Es gibt sonst eigentlich auch nicht viel zu sagen. Agra ist eine haessliche Stadt und die Menschen sind unfreundlich. Als wir mal an der Strasse entanggegangen sind, ist Justyna von einem Lastwagenfahrer mit Pan, so ein rotes kautabak-aehnliches Zeug, bespuckt worden. Auto-Rikschah-Fahrer sind fuerchterlich aufdringlich und versuchen auf so eine plumpe Art , Touris zu bescheissen. Wir waren recht froh, diesen Ort nach einer Nacht wieder verlassen zu koennen.

Kleine Suenden und wie der Herr sie straft

Beim Abendessen in einem kleinen gemuetlichen Traveller-Lokal, gerade fertiggegessen, wer kommt da zu Tuer rein gestapft? Rosie und ihre amerikanische Huehnergang. Zur Erklaerung fuer Nicht-Wissende: Rosie ist die dicke Amerikanerin, die ich anfangs meines Aufenthalts in Hyderabad in einer Disko kennengelernt hab. Sie war an diesem Abend sehr aufdringlich und ich musste den Laden spaeter fluchtartig verlassen. Da man sich in Hyderabad aber immer wieder begegnet, gab ich mir in Zukunft viel Muehe, sie zu ignorieren - erfolgreich. So dachte ich jedenfalls. Ueber tausend Kilometer von Hyderabad entfernt und es haette ja echt jeder sein koennen, aber zu allem Unnutz schlafen diese Huehner noch im selben Hostel. Und als haette ich nicht schon miese Laune genug, sagt Justyna auch noch: "Khai, die ist doch ueberhaupt nicht dick!" Da mich jetzt nach Ariane, Betty und Sinaida schon die dritte Frau darauf anspricht: Nein, natuerlich ist sie nicht dick. Und bestimmt ist sie auch sehr sympathisch. Aber wenn Ihr irgendwann mal so aussehen werdet wie Rosie, liebe Ariane, liebe Betty, liebe Sinaida und liebe Justyna, dann werde ich Euch darauf ansprechen. Und dann bitte nicht beleidigt sein.

Verzeihung, hab's heilig

Nach drei Tagen haben wir Darjeeling verlassen. Den Abstieg von zweieinhalbtausend Metern haben wir in zweieinhalb Stunden mit einem Jeep bewaeligt. Unten war's dann gluecklicherweise nicht mehr so kalt. Als Andenken aus dem Himalaya-Vorland hab ich mir einen tiefsitzenden bronchitischen Husten mitgebracht und eine Menge zaehen gelben Rotz, die mir beide bis heute das Leben und Atmen schwer machen.

Unsere naechste Station war dann Varanasi, die heilige Stadt am Ganges. Der Sage nach hat hier Lord Shiva irgendwas gemacht, was die Stadt dann irgendwie heiliggemacht hat. In Varanasi reihen sich am Ufer des Ganges die Tempel (Ghat) wie Perlen an einer Kette und jeder Tempel wurde fuer eine andere Gottheit errichtet. Zwei der zentraleren Ghats wurden als Krematorien verwendet. Nach dem Hinduismus soll der menschliche Koerper nach dem Tod wieder in die fuenf urspruenglichen Elemente uebergehen, Feuer, Wasser, Luft, Erde und die Seele. Deshalb werden an diesen Ghats im Drei-Schicht-Betrieb die sterblichen Ueberreste glaeubiger Hindus unter offenem Himmel verbrannt und die Asche in den Ganges gestreut. Das sah dann auch aus wie man sich das Fegefeuer vorstellt. Ein riesiger Platz mit unzehligen Scheiterhaufen und ueberall riecht es nach - Verzeihung - Barbeque... Verbrennendes menschliches Fett riecht wie eine saftig fette Schweineschwarte auf dem Grill. Werde wohl nie wieder an einem Grillabend teilnehmen.

Varanasi wird im Lonely Planet als gefaehrlicher Ort beschrieben, an dem es nur so von Taschendieben und kleinen Betruegern wimmelt. Wir empfanden es mehr als gemuetliche Backpackerstation und sollten dafuer spaeter noch schlimmere Erfahrungen mit Kleinkriminellen sammeln...