4.12.05

Frieden mit dem Norden

Schon die Zugfahrt nach Delhi liess uns staunen. Wir hatten wegen der kurzen Fahrt nur Sitzplaetze gebucht. Das Innere des Waggons glich mehr einem Flugzeug, als einem Zug. Einzelne gepolsterte Sitze mit der Moeglichkeit die Rueckenlehnen zu verstellen. Klassische Musik aus Lautsprechern und saubere Toiletten mit Klopapier (!). Waehrend der recht kurzen Fahrt von 4,5 Stunden wurde ein fuenfgaengiges Menue gereicht: Appetizer, Suppe, Hauptgericht, Tee, Eiscreme. Da mein Magen das oelige Essen im Norden und die abstossenden Menschen in Jaipur noch nicht so recht verkraften konnten, beschraenkte ich mich nur auf die warme Suppe, den beruhigenden Tee und den gaumenkitzelnden Nachtisch.
Sind dann ziemlich spaet in Delhi angekommen und mussten ca. eine halbe Stunde mit der Rikshaw-Mafia am Bahnhof verhandeln, bis sich Kooperation erhoffen liess und uns ein vollgetanktes Fluchtfahrzeug zu einem vertretbaren Preis zur Verfuegung gestellt wurde. Eigentlich sollten wir wieder in einem Guesthouse uebernachten, dass ein Freund von Madhu fuer uns gemanagt hat - ein Geheimtipp! Aus der Erfahrung aus Kolkata lernend, haben wir die Adresse tags zuvor im Internet ausfindig gemacht. Danach gleich dort angerufen und abgesagt. Dieses Guesthouse lag zwar in einer Top-Gegend, aber anderthalb Stunden von sowohl Bahnhof, als auch Flughafen weg. Also sowas von weg vom Geschehen. Die Rikshaw brachte uns - nach einigem Bitten ganz ohne Umwege - zum Main Bazaar, fuenf Minuten von Bahnhof entfernt (zu Fuss). Der Main Bazaar, muss man wissen, war vor ca. fuenf Wochen das Ziel dieses Bombenattentats in Delhi. Spuren waren aber keine mehr zu sehen.
Das Zimmer im vierten Stock dieser Absteige, die sich Hotel schimpft, verfuegte ueber eine dunkle Nasszelle, die ich, um ein bisschen Prestige zu heucheln, mal Badezimmer nenne. Das Zimmer wurde wohl direkt um das Bett herum gebaut, aber immerhin fand in einer Ecke noch ein Farbfernseher Platz. Ich weiss nicht, ob ich das jetzt Glueck im Unglueck nennen soll, aber der Hotelmanager verweigerte uns spaeter die Aufnahme in seiner Residenz, weil wir, so schlau wie wir nun mal sind, ohne Originalpaesse reisen, sondern nur Kopien der wichtigsten Seitem mit uns fuehren. Man muss bedenken, dass es bereits 12 Uhr nachts war und die Strassen kalt, schmutzig und ueberall lauerten dunkle und currygelbe gestalten herum. Aber dieser Mensch vetrieb uns, weil es nach dem Anschlag ja so schwierig geworden sei mit der Polizei, und setzte uns auf die Strasse.
Da standen wir nun. Two strangers in Delhi, mit mehr Hab und Gut in unseren Rucksaecken, als so manche indische Familie, 12 Uhr nachts, leere Maegen, keine Paesse. Wat nu? Das Hotelparadies am Main-Bazaar fuehrte uns zum Nachbarn des pflichtbewussten Hotelmanagers. Dort wurden wir mit offenen Armen empfangen, zahlten weniger und fanden sogar ein Zimmer (eine Zelle) sogar im dritten Stockwerk. Ein bisschen grosszuegiger geschnitten, das Bad liess noch ein wenig weiss an den Fliesen erahnen und warmes Wasser gab es auch. Im Schlafgemach war nur eine Wand vom Schimmel befallen und naja, immerhin ein Dach ueber dem Kopf.

Der naechste Tag fuehrte uns zu den wichtigsten Sehenswuerdigkeiten, die sich meistens um den ehrhaften Mahatma Gandhi drehen, ansonsten wollten wir eigentlich nicht viel unternehmen. Delhi hat uns dabei aber sehr positiv ueberrascht! Mit der Erwartung, dass so eine Grossstadt nur Chaos ist und die Leute alle Gauner, wurden wir schon direkt am Bazaar eines besseren belehrt. Keiner bot uns Sachen an, die wir nicht wollten, niemand zerrte uns am Aermel in seinen Shop, ueberhaupt ging alles sehr friedlich und unaufdringlich zu. Handeln mit den Shopbesitzern war sehr unterhaltsam und auch die Fahrrad-Rikshawfahrer waren sehr ehrlich und freundlich. Delhi war ueberraschend erholsam und sollte uns mit einem Laecheln in den Sueden bringen.