11.12.05

spaete Einsicht

Lieber zu spaet als nie und besser so rum als andersherum, moechte ich hiermit gestanden haben, dass wir uns geirrt haben. Wir haben den Menschen in Kerala Unrecht getan. Denn nach einer Woche an diesem paradiesischen Ort moechten wir dieses Stueckchen Himmel eigentlich nichr mehr verlassen. So misstrauisch wir anfangs noch waren, so untroestlich sind wir jetzt, dass wir morgen weiter in den Norden fahren werden. Nachdem wir das Hausboot in Allapuzzha leider verlassen mussten, dafuer aber noch einen Tag in einem Bungalow mit Pool verbringen durften, sind wir mit einem Kutter durch die Backwaters noch bis nach Kottayam gefahren, haben dort einen Bus bestiegen und sind durch den immergruenen Dschungel bis nach Kumily gefahren. Der ganze Ort existiert eigentlich nur fuer den Wildlife Park, der nach Angaben der Ortsansaessigen Elefanten, Leoparden, Geparden, Affen, Tiger und alles moegliche Getier enthalten, welches man so aus dem Zoo her kennt.

Wir haben uns dort in eine kleine beschauliche Bambushuette eingemietet und am ersten Tag nicht nur Sonnenaufgang Nr. 5 angeschaut, sondern noch an einer Jeep Safari teilgenomme, die uns, auch zu Fuss beim Trekking, den Tieren ziemlich nah heranfuehren sollte. Um fuenf Uhr morgens ging's los und um sieben abends sind wir zurueck gekommen. In diesen 14 Stunden haben wir aber ausser ein paar Affen, ein paar Squirrels (keine Ahnung wie die auf deutsch heissen), domestizierten Kuehen und abertausenden von Blutegeln keine Tiere gesehen. Keine Tiger, keine Elefanten, keine Bisons. Dafuer haben wir nach der anstrengenden Trekkingtour - 5 Stunden Fussmarsch durch die Wildnis - ein erfrischendes Bad im Gebirgssee nehmen koennen. Ein bisschen zwischen Kaulquappen und kleineren Fischen planschen. Zwei Britinnen, zwei Holaenderinnen, eine Polin und ich. Und alle in Unterwaesche. Jippieh!!! Keine Tiere gesehen, dafuer einen Riesenspass in der Natur gehabt.

Fuer den zweiten Tag haben wir uns bei einer Bambus-Floss-Rafting-Tour angemeldet. Zehn Touris und fuenf Guides, einer davon bewaffnet. Auf den Fotos haben nur Guides gepaddelt. In Wirklichkeit mussten alle paddeln, d.h. alle Maenner, weil fuer die Frauen nicht genug Paddel da waren. Mit dem bewaffneten Guide, der ein langes Jagdgewehr umhaengen hatte, sah das mehr nach einer Geiselnahme aus, v.a. als wir eine mehrstuendige Trekkingtour durch das immergruene Gehoelz gemacht haben. Ein Guide voraus, einer hinterher und in der Mitte der bewaffnete. "Schnauze, ihr kriegt nichts zu essen. Unser Anfuehrer will Euch sehen!" Aber immerhin haben unsere Geiselnehmer uns mehr Tiere zeigen koennen, als die vom Tag davor. Eine Bisonkuh mit Kalb, ein paar Affen aus der Naehe, Wildschweine, Voegel und einen Elefanten. Boah! Aber ich glaub ja, dass der vorher angelockt wurde. Wie auch immer, die paar Tage, die wir in der stillen Natur bei der frischen Luft, im unberuehrten wilden Dschungel verbringen konnten war einzigartig. Dabei mochte ich gar nicht wissen, wieviele wilde und hungrige Augenpaare die wohlgenaehrte Touristengruppe aus den Bueschen beobachtet haben, waehrend wir nix gesehen haben.

Nach drei Tagen sind wir gestern abend mit dem Bus den Gebirgspass hinuntergeschossen und befinden uns jetzt wieder am arabischen Meer in Kochin. Wir waren wieder mal am Fischmarkt und haben uns heute wieder ein Kilo Prawns und jeder ein Stueck Seer-Fisch (deutsch?) gegoennt. Nachher gehen wir nochmal hin und essen Krebs. Hmjam! Kulinarisch gibt's wohl in ganz Indien nichts besseres als keralesisch. Zwar muss man hier immer 'less spicy' bestellen, wenn man keine Lust auf Feuerspucken hat, aber wenn die Schaerfe weg ist, kommt eine Vielfalt an Aromen hervor, die Kerala nicht umsonst den Titel 'Spice-Land' verleiht. Vor allem dieser unparfuemierte Reis mit Kokosnuss oder mit trockenen Fruechten oder mit Ananas und Cashew. Die vegetarischen Sossen dazu - in Indien 'gravy' genannt - uebertreffen jedes vegetarische Gericht in Europa. Ratatouille ist da nur noch Pampe dagegen.

Moechte man Indien mathematisch betrachten - und die Inder haben der Mathematik immerhin die Null geschenkt - dann kann man dem Land ein kartesisches Koordinatensystem verpassen. Der Ursprung liegt dann irgendwo bei Hyderabad. Was ueber der x-Achse, also im Norden liegt gilt, so heisst es, als arm. Unter der x-Achse, im Sueden, sind die Menschen eher reich. Im Westen, links von der y-Achse, sind die Menschen faul, rechts von der y-Achse tuechtig. Im ersten Quadranten, also im Nord-Osten, wo Kolkata liegt, sind die Menschen zwar fleissig, entkommen aber ihrer Armut nicht. Im zweiten Quadranten, im Nord-Westen, sind die Menschen faul und deshalb arm - das unfreundliche Jaipur in Rajasthan. Hier in Kerala sind die Menschen faul und trotzdem reich. Deshalb sehr gemuetlich und gelassen. Hier gefaellt's mir, hier will ich bleiben. Eine kleine Kostprobe von der Landessprache Keralas, dem Malayalam: 'Uli' heisst ohne Salz. Man merkt sich eben nur die Kuriositaeten.

Haben in den letzten Tagen sehr sehr viele Traveller aus allen Herren-Laendern getroffen und Erfahrungen ausgetauscht. Auch die Reisenden scheinen im Sueden angenehmer, nicht so angespannt zu sein. Was uebrigens sehr lustig ist: Wer mit dem Lonely Planet reist trifft ueberall die gleichen Leute wieder. Von wegen Individualtourismus...

Morgen stehen wir wieder verdammt frueh auf, werden Sonnenaufgang Nr. 6 sehen (hab's langsam echt satt) und um sechs Uhr morgens den Bus nach Mysore nehmen. Eine Seiden- und Tempelstadt im Sueden Karnatakas. Mal schauen, was Karnataka fuer uns birgt.

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Zwei Britinnen, zwei Holaenderinnen, eine Polin und ich. Und alle in Unterwaesche. Jippieh!!! Keine Tiere gesehen, dafuer einen Riesenspass in der Natur gehabt.

Du wolltest doch sicher "an der Natur" statt "in der Natur" schreiben, du alter Stelzbock

11/12/05 21:36  

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