14.10.05

Dschihad oder Wie man dem Lauf der Wiedergeburten ein bisschen nachhilft

Wie angekuendigt gab es in Hyderabad am Mittwoch Abend tatsaechlich einen Selbstmordanschlag. Ein bisher nicht identifizierter ‚Maertyrer’ mit einem Rucksack vollgepackt mit selbst gebastelten Rohrbomben hat sich unweit von einem Club, den ich regelmaessig besuche, vor einer Polizeistation in die Luft gejagt und lediglich einen Wachmann mit in den Tod gerissen.
Verzeiht mir den Spott, aber wenn man bedenkt, dass sich an diesem Feiertag „Dassera“ alle Menschen auf grossen Plaetzen versammeln, um dort ausgelassen zu feiern, und saemtliche Kraefte der Polizei sich vor Ort darauf konzentrieren, fuer Recht und Ordnung zu sorgen, dann ist doch eine leere Polizeistation ein wirklich ungeschickter Platz fuer ein Attentat...
Seitens der Bevoelkerung schien der Anschlag gar keine Reaktion ausgeloest zu haben; der Alltag scheint solchen Wahnsinn schon zu beruecksichtigen.

Die lokalen Medien gehen davon aus, dass es sich hierbei nicht um das angekuendigte Attentat gegen amerikanische Einrichtungen gehandelt hat, sondern vermutlich um einen Trittbrettfahrer aus Bangladesh. Als ich heute morgen im Auto die Zeitung ueberflogen hab, konnte ich in aller Eile noch Wortfetzen wie „Jihad“ und dergleichen aufnehmen, bevor ich angeekelt das Gesicht abwenden und die Zeitung zerknuellen musste.
Die andere Haelfte der Seite zeigte naemlich Grossaufnahmen saemtlicher wiedergefundener Koerperteile, eher Koerperfetzen, des Attentaeters, inklusive abgetrennten Kopf. Jedes aus jeweils 3 verschiedenen Perspektiven, offenbar praesentiert von einem Spezialisten fuer anschauliche Leichenaufbereitung. Musste schier in den Wagen speien...

Ist aber nicht weiter ungewoehnlich, wenn man erst mal ein paar Tage lang die Zeitung verfolgt hat. Jeden, aber wirklich JEDEN Tag liest man drei bis fuenf Berichte ueber Menschen, denen das Leben so sehr zugesetzt hat, dass sie keinen weiteren Ausweg fanden, als den Freitod zu sterben. Meistens sind es Liebespaerchen zwischen 18 und 25 Jahre alt, deren Familien die Liebe nicht akzeptieren, junge Frauen, die im Alter von 25 Jahren auf dem Heiratsmarkt nur noch Auslaufmodelle sind, Familienvaeter, die entweder ihren Job verloren haben, oder mit der Schande nicht mehr leben konnten, dass es ihr Erstgeborener nicht auf die beste Uni der westlichen Hemisphaere geschafft hat, sondern nur auf die zweitbeste, und aehnlich tragische Schicksale. Dann wird entweder Gift getrunken (Haarfaerbemittel in Wasser geloest konnte sich als sehr zuverlaessig erweisen) oder man erhaengt sich und bringt auf eine dieser beiden Weisen entweder sich oder seine ganze Familie in’s naechste Leben, das hoffentlich mehr zu bieten hat.

Alle diese Informationen stehen dann am naechsten Tag in der Zeitung. Zusaetzlich werden dem interessierten Leser noch Einzelheiten ueber den vollen Namen, Wohnort, Werdegang der Familie, rueckblickend auf die letzten zwei Generationen und den zuletzt ausgeuebten Beruf saemtlicher Beteiligten gemacht. Richtig glaubwuerdig wird so ein Bericht dann erst, wenn Nachbarn und Freunde noch ein Statement ueber die Verstorbenen platzieren koennen.

In Indien braucht's kein Internet, um ekelhafte Sachen zu sehen...