30.8.05

50 Jahre zu spaet

Moe hat mir neulich geschrieben. Und wer haette es gedacht: Er lebt noch und ist nicht dem Rassenkrieg zum Opfer gefallen. Wie er erzaehlt, herrscht in Sued-Afrika noch immer Gewalt, die auf den Konflikt zwischen "Schwarzen" und "Weissen" zurueckzufuehren ist. Erschreckend aehnliche Erfahrungen habe ich auch hier in Indien vom ersten Tag an machen muessen, wobei sich die Gewalt hier "nur" durch bestimmte Meinungen und Bemerkungen sowie den Umgang mit den Mitmenschen ausdrueckt, der Konflikt ist jedoch ueberall.

Tatsache ist, dass hier eine Menge verschiedene Kulturen aufeinanderprallen: Hindus, Moslems, Christen, Wessies, Asiaten,... und das erste was einem auffaellt, sobald man aus dem Flughafen kommst, ist dass Einheimische einen grundsaetzlich mit Sir/Madam anreden, sobald man auch nur den Anschein machst, aus einem westlichen Land zu kommen bzw. ueber einen gewissen Status/Geldbetrag zu verfuegen. Vielleicht ist das Teil der Kultur; die Inder haben vor ca. 50 Jahren mit ihrer Unterwuerfigkeit immerhin eine Revolution gewonnen (Ghandi: "Turn yourself into zero and your power will be incredible.").

Gleich am ersten Tag aber wurden uns Insider-Tips an's Herz gelegt, als Weisser kommt man ueberall rein und muss nicht mal anstehen, als weisser musst Du besonders aufpassen, weil die Inder glauben Du hast viel Geld und als Weisser, ... Im Alltag geraet man dann auch taeglich in Situationen in welchen "Weisse" z.B. den indischen Kellner dermassen zur Sau machen, nur weil der Stuhl im Restaurant falsch steht, oder der Fahrer geschlagen wird, weil er mal wieder Scheisse gebaut hat. Tatsaechlich haben viele Inder ein ungewoehnliches Verhaeltnis zu Arbeit bzw. Erfuellung von erwarteten Dienstleistungen, man moechte fast sagen halb Indien steht auf dem Schlauch. Und man steht wirklich taeglich vor dem Wutausbruch, wenn mal wieder kein Mensch glaubt irgendwie jetzt irgenwas verstehen zu muessen und nur "Yes, Sir!" sagt.

Was denkt sich also ein moralisch westlich denkender Mensch, der noch an Menschenrechte glaubt und aus Ueberzeugung den Zivildienst gewaehlt hat, wenn er persoenlich in der Situation steht, dass sein Gastgeber den Fahrer schlaegt, die Kellner anpeobelt und sich am Eingang zu einem Club beleidigt fuehlt, weil er von Tuerstehern zum Bezahlen aufgefordert wird und Inder grundsaetzlich als dumm bezeichnet (O-Ton: "Es gibt ja auch Ausnahmen!")? Eine treffende Bezeichnung dafuer: "Spaetkolonialisten". Ein Phaenomen der sich hier anscheinend haeufig bei Deutschen beobachten laesst.

Es ist wirklich leicht, sich hier zu fuehlen und aufzufuehren wie der King. Ob das jedoch der richtige Umgang mit einer uns fremden Kultur ist?